Wer hat‘s erfunden?! Die Düsentriebs der Montanuniversität

Wer neue Wege beschreitet, muss mutig sein und auch gegen den Strom schwimmen. Um an die Leistungen und das Herzblut von Erfinder*innen der Vergangenheit und Gegenwart zu erinnern, wird ihnen am 9. November am "Tag der Erfinder*innen" Respekt gezollt.

Was haben ein Polarplanimeter, das LD-Verfahren und die Theorie der Antiklinale gemeinsam? All diese Erfindungen sind auf ehemalige Professoren der Montanuniversität zurückzuführen. Im folgenden Beitrag stelle euch die Entdecker hinter den Erfindungen vor. Anschließend wird Univ.-Prof. Robert Galler vom Lehrstuhl für Subsurface Engineering für Fragen zur „New Austrian Tunneling Method“, eine Idee die ebenfalls auf Forscher an der Montanuniversität zurückgeht, Rede und Antwort stehen.

Albert Miller von Hauenfels

Der Professor für Bergbau - & Markscheidekunde erfand 1855 fast zeitgleich mit Jakob Amsler-Laffon den Polarplanimeter zur Flächenberechnung. Das Gerät besteht aus einem Pol – und Fahrarm sowie einem Messrad. Der Flächeninhalt ist proportional zum Rollweg des Messrads. Einsatzgebiete sind die Bestimmung von Flächengrößen auf Plänen oder Landkarten.

Seit dem Jahr 1957 wird die Albert Miller von Hauenfels Medaille an Persönlichkeiten verliehen, die sich um den österreichischen Bergbau verdient machen.

Hans Höfer von Heimhalt

Der Absolvent der k.k. Bergakademie, Professor für Mineralogie, Geologie, Paläontologie und Lagerstättenlehre führte 1913 den Begriff „Erdöl“ ein. Damit bezeichnete er alle flüssigen, organischen, brennbaren Naturprodukte, die aus der Erde stammen. Durch die Veröffentlichung seines Fachbuches „Das Erdöl und seine Verwandten“ setzte sich die Bezeichnung „Erdöl“ durch und ersetzte vorherige wie „Steinöl“ und „Felsöl“.

Nach einer Nordpolexpedition und Aufenthalten in Spitzbergen, Russland und Philadelphia stellte Höfer außerdem die Theorie der Antiklinale auf. Eine Antiklinale, oder geologischer Sattel, ist eine durch Faltung erzeugte Aufwölbung geschichteter Gesteine.

Herbert Trenkler

Unter maßgeblicher Beteiligung von Absolventen der Montanuniversität Leoben wird das sogenannte Linz-Donawitz-Verfahren erfunden. Das LD - Verfahren ist ein Sauerstoffblasverfahren zur Stahlerzeugung durch Umwandlung von kohlenstoffreichem Roheisen in kohlenstoffarmen Stahl. Der bekannteste Forscher im Team war der Montanist Herbert Trenkler. Die Montanuniversität Leoben berief ihn 1958 auf den Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde. 1962/63 und 1963/64 war er Rektor der Montanistischen Hochschule.

NATM - Ein Überblick und Ausblick mit Univ.-Prof. Robert Galler

Auch heute gibt es an der Montanuniversität Forscher*innen, welche vom Erfindergeist der alten Montanisten erfüllt sind. Ich hatte die Chance, Prof. Galler eine Reihe von Fragen zur NATM (New Austrian Tunneling Method) stellen zu dürfen.

Werden Sie oft von Studierenden auf die Nominierung zum Österreicher des Jahres 2016 angesprochen?

Nein, eher selten. Eine schöne Überraschung folgte im Jahr 2019, als ich von der steirischen Bevölkerung zum „Kopf des Jahres“ in der Kategorie Wirtschaft und Forschung gewählt wurde. Beim „Staatspreis Patent 2018“ kamen wir im Team unter die Top drei nominierten Kandidaten. Derartige Auszeichnungen motivieren jedenfalls zu weiteren Höchstleistungen. 

Wie unterscheidet sich die New Austrian Tunneling Method (NATM) von herkömmlichen Tunnelbaumethoden?

Die NATM feierte 2012 ihr 50-jähriges Jubiläum. Bei der NATM versuchen wir auf die jeweils anstehende Gebirgsqualität sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl zu reagieren, das heißt: Dem Gebirge genau jene Stützmittel zuzuweisen, die es in der aktuellen Situation braucht. Diese individuelle Abschätzung erfolgt auf Basis von: Berechnungen, geotechnischen Messungen, und immer schrittweise, das heißt Abschlag für Abschlag. Ein Abschlag muss nicht zwingend über eine Sprengung erfolgen, sondern kann auch über Baggern oder Fräsen stattfinden; die Vortriebsmethode hängt von der Gebirgsqualität ab. Abschlagslängen zwischen 80 Zentimetern und vier Meter sind üblich. Bei der norwegischen Methode sind im skandinavischen Hartgestein sieben bis acht Meter nicht unüblich.

Der Unterschied zu anderen Tunnelbaumethoden liegt auch darin, dass bei der NATM Meter für Meter individuell auf das umliegende Gebirge reagiert wird.

Der Ausbau erfolgt über Anker (d. h. Stäbe) und Gittermatten, davon gibt es verschiedene Sorten, die je nach Gebirgsqualität gewählt werden. Anschließend werden die Gitterbögen verbaut, welche später durch Spritzbeton komplettiert werden. Zudem gibt es sogenannte
vorauseilende Stützmittel wie Rohrschirme sowie Spieße.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu anderen konventionellen Tunnelbaumethoden ist die Unterteilung in Teilquerschnitte und danach in Teilflächen. Falls ein Grundbruch droht, werden Kalottenfüße, Fußpfähle und temporäre Kalottensohlen verbaut. (Anm.: Kalotte ist das obere Drittel des Tunnelquerschnitts, die Kalottensohle die untere Begrenzung der Kalotte.) Zudem gibt es Injektionsmaßnahmen, um das Gebirge zu verfestigen. Injektionen von Zementsuspensionen und Spritzbeton zählen, neben dem Setzen von Ankern, zu den Stabilisierungsmaßnahmen des Tunnels.

Die Innenschalenarbeiten beginnen erst dann, wenn die Außenschalenverformungen abgeklungen sind. Das Besondere am NATM Verfahren ist, dass der Kontakt zwischen Innenschale, Außenschale und Gebirge kraftschlüssig. (Anm.: Kraftschlüssig: Unter Ausnutzung hoher Haftreibung zum Fügen von Objekten eingesetzte Verbindungstechnik.)

Die NATM Methode ist auch kostengünstiger. Durch das individuelle Anpassen im Meterintervall ist eine Reaktion auf Idealverhältnisse möglich. Übrigens wird heuer der erste Lehrberuf für Tunnelbautechnik eingeführt.

Können die neuesten Standards in Sicherheitstechnik (wie zum Beispiel Ventilationstechnik) bei Unfällen wie jenem am 24. Oktober 2001 im Gotthardtunnel dafür sorgen, dass bei solch tragischen Ereignissen keine Menschen mehr ums Leben kommen? Wird diese Sicherheitstechnik im NATM Lehrgang (eine Kooperation zwischen MU Leoben und TU Graz) behandelt?

Dieser wichtige Punkt wird im NATM Lehrgang auch behandelt. Unter anderem aus diesem Grund wurde auch das Zab (Zentrum am Berg) gebaut, dort werden auch Vollbrandtrainings mit der lokalen Feuerwehr durchgeführt. (siehe Video: https://www.youtube.com/watch?v=dLgqXgqVPbc&feature=emb_title)

An welche Studienrichtungen der Montanuniversität Leoben ist der NATM Lehrgang hauptsächlich adressiert?

Grundsätzlich an Geowissenschaften, Maschinenbauer, Petroleum Engineering sowie Industrielogistik.

Inwieweit gibt es bei der NATM Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit?

Seit 2008 betreiben wir nationale und internationale Forschungsprojekte zur Tunnelausbruchverwertung. An dieser Stelle möchte ich auf den gerade laufenden Wettbewerb hinweisen: „Are you ready to mine the future?“ miningthefuture.web.cern.ch. Dabei werden die besten Ideen zur Nachhaltigkeit zur Tunnelausbruchverwertung für den 100 Kilometer langen Loop, FCC – Future Circular Collider vom CERN gesucht.



Andere Fragen, die uns beschäftigen, lauten: Wie kann man Zement im Beton einsparen? Oder wie können Strukturen schlanker gebaut werden?

Mehr Informationen zum NATM Lehrgang findet ihr hier: www.tugraz.at/en/studying-and-teaching/degree-and-certificate-programmes/continuing-education/part-time-masters-programmes-and-university-programmes/natm-engineering-construction-rehabilitation-and-operation-of-natm-and-tbm-tunnels/


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