Wie bereitet sich ein Professor für verschiedenste Lehrveranstaltungen vor?

Wir waren neugierig und haben bei Ao.Univ.-Prof. Dr. Christian Bernhard vom Lehrstuhl für Eisen- und Stahlmetallurgie nachgefragt. Er hat uns Einblicke in seine Vorbereitungen gewährt.

Man lässt einfach seiner Kreativität freien Lauf?
Leider nein, auch für die Vorbereitung einer Lehrveranstaltung gilt die alte Weisheit: „10 Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration“. Gute Lehre hängt also (auch) vom Arbeits- und Zeitaufwand ab, das nur um Illusionen vorzubeugen.


Meine Lehrveranstaltungsinhalte kreisen um die Themen Stahlherstellung und den Werkstoff Stahl und decken sich mit meinen Forschungsaktivitäten. Deshalb entdecke ich auch ständig neue Themen, aber sind die auch für Vorlesungen geeignet?

Als Faustregel habe ich rund zwei Drittel des Vorlesungsinhalts als Lernstoff definiert. Da ich wie viele andere mit PowerPoint-Präsentationen arbeite, soll hinter diesen Inhalten verfügbare Literatur, bevorzugt in der Sprache der Vorlesung stehen. Folien, Literatur und seit dem letzten Jahr auch die aufgezeichneten Vorträge, werden den Studierenden elektronisch angeboten. Ergänzt um je nach Vorlesungsinhalt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf Themen für die Prüfung (das können manchmal auch nur rote Rufzeichen in Folien sein) soll für die Studierenden die Prüfungsvorbereitung erleichtern …. und für mich die Beurteilung objektivieren.

Ergänzt werden die Vorlesungsinhalte durch Anschauungsbeispiele (Clips, durchaus auch auf YouTube), aktuelle Bezüge und hin und wieder auch ein Ausflug in unsere Forschungsprojekte (z. B. einige Folien aus einem Vortrag, den ich oder mein Team vor kurzem gehalten haben). Diese Teile sammle ich das ganze Jahr über, um sie dann für Vorlesungen verfügbar zu haben. Klingt einfach, ist es aber nicht: Auf YouTube einen Clip zu finden, der inhaltlich und von der Tiefe her zu einer Vorlesung passt, ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und oft auch erfolglos.


Jede Vorlesung wird so bis zu einem gewissen Grad zum „Einzelstück“ und ganz ehrlich: Diesen Teil von Vorlesungen ändere ich fast jedes Studienjahr, weil ich auch ständig einen neuen Blick auf die Themen habe.


Sehr viel mehr Wille zur Perfektion muss hinter der Vorbereitung einer Laborübung stehen: Sicherheit für alle Beteiligten, Reproduzierbarkeit – aber wie halt auch immer: die Beurteilbarkeit – verlangen viel Vorbereitung. Ist eine Übung einmal aufgebaut, möchte man sie auch nicht mehr jedes Jahr ändern. Übungen erlauben den interaktiven und direkten Kontakt mit Studierenden und stellen einen ganz wichtigen Teil in unseren Bachelor- und Masterstudien dar.

Meine Lieblingsformate?

Einerseits Seminare, bei denen die Studierenden im Masterstudium ein vorgegebenes Thema ausarbeiten, schriftlich im Stil einer Veröffentlichung festhalten und am Ende (… und das auch noch in englischer Sprache) vor Kolleginnen und Kollegen präsentieren. Wer weiß, wie wichtig gerade dieser Lernprozess für das spätere Berufsleben ist und wieviel Betreuungsaufwand da im Hintergrund steht, dem tut es weh, wenn einzelne Studierende den Aufwand als nicht ECTS-gerecht beurteilen ….

Mein zweites Lieblingsformat sind Lehrveranstaltungen, bei denen Vorlesungen im Hörsaal mit Vorträgen und Besichtigungen bei Industrieunternehmen verbunden werden. Wir leben hier in Leoben in einem Paradies: Unternehmen der Stahlherstellung, der Zulieferindustrie und des Anlagenbaus sind in kurzer Zeit zu erreichen und Absolventinnen und Absolventen unserer Universität freuen sich über den Kontakt mit den jungen Studierenden und darauf, ihr Wissen weiterzugeben. Das macht uns wirklich außergewöhnlich!
Fazit: Die Vorbereitung von guten Lehrveranstaltungen verlangt ein gewisses Sendungsbewusstsein, verbunden mit der Bereitschaft, sich auch die Zeit dafür zu nehmen und offen für die Rückmeldungen der Studierenden zu sein. Ein Berufsleben ohne Lehre kann ich mir nicht vorstellen!


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