Digital Detox
Der Begriff Digital Detox bedeutet übersetzt so viel wie „digitale Entgiftung“ und bezeichnet den kompletten Verzicht auf digitale Medien für einen bestimmten Zeitraum. Das Ziel davon, auf ständige digitale Erreichbarkeit und Vernetzung zu verzichten, ist, Stress zu reduzieren und das eigene Wohlbefinden zu verbessern.1
Das ideale Vorhaben für die Fastenzeit also, welche sich in meinem Fall nur zufälligerweise mit dem gewählten Zeitraum überschneidet. Der komplette Verzicht auf digitale Medien ist auch nicht das Ziel meiner Aktion (durch Studium und Beruf auch gar nicht wirklich möglich), ebenso wenig die gezielte Reduktion von Stress, sondern schlicht und einfach: die Verringerung meiner Bildschirmzeit. Bildschirmzeit ist dabei, wie der Name schon erahnen lässt, die akkumulierte Zeit, die man vor Bildschirmen (Computer, Tablet, Smartphone, Smartwatch, …) verbringt. Moderne digitale „Ökosysteme“ können diese Zeit summieren und als Gesamtwert darstellen, damit man sich seiner wahren täglichen (oder wöchentlichen) Bildschirmzeit bewusst wird. Diese war durch die kurzweiligen und oft sehr unterhaltsamen Kurzvideos (Reels) auf der zum Meta-Konzern gehörenden Social-Media- Plattform Instagram bei mir in den letzten Monaten in die Höhe geschossen. Obwohl ich bereits seit weit über einem Jahr meinen täglichen Zugriff auf Facebook und Instagram mittels selbst gewählten Zeitlimits digital reguliert habe und auch die Benachrichtigungen dieser Apps abgedreht hatte, ertappte ich mich doch in den vergangenen Monaten immer häufiger dabei, wie ich das Zeitlimit ignoriert und doch mehr Zeit auf den Plattformen verbracht habe als eigentlich gewollt.
Über Social Media zu socializen wäre ja grundsätzlich eine gute Sache, allerdings verkommen die Plattformen in meinen Augen seit Jahren zur Werbemaschine. In meiner Timeline bzw. meinem Feed gab es fast ausschließlich nur mehr Werbung oder Nano-Influencer, die gerne mit ihrem Lifestyle angeben, zu sehen. Der Aspekt des Miteinander-Interagierens ist in meinen Augen leider schon lange in den Hintergrund gerückt und persönlicher, authentischer Inhalt mittlerweile auf andere Plattformen abgewandert, wie z .B. BeReal. Obwohl sowohl Facebook als auch Instagram seit mehr als 10 (!) Jahren fester Bestandteil der installierten mobilen Apps auf meinen Handys waren, sind sie das seit Februar erstmals nicht mehr. Und obwohl ich sowohl Instagram als auch Facebook jeden Tag für jeweils mehr als mindestens 30 Minuten verwendet habe, gehen mir beide überraschenderweise überhaupt nicht ab. Interessanterweise hat sich mein Medienkonsum verlagert. Das jahrelange antrainierte, automatisierte Scrollen durch Timelines und Feeds hat sich jetzt ein wenig auf LinkedIn verlagert, was ebenfalls keine begrüßenswerte Entwicklung darstellt, aber in meinen Augen zumindest besser ist, als sich von den eigens trainierten Algorithmen noch stärker zu einer Kaufentscheidung o. Ä. manipulieren zu lassen.
Als Ersatzdroge, für die in gewisser Weise abhängig machenden Social-Media-Plattformen habe ich mir wieder Babbel installiert und das Französisch-Lernen wieder aufgenommen. Vor allem, um die Zeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln o.Ä. zu überbrücken, wo sonst meine Go-To-Variante Insta & Co. waren, bietet sich dieser Ersatz an, um auch hier die Zeit sinnvoll zu nutzen. Das ist zwar nicht mit dem grundsätzlichen Gedanken von Digital Detox vereinbar („…kompletten Verzicht auf digitale Medien…“1), allerdings denke ich, dass jede(r) für sich selbst entscheiden muss, auf welche digitalen Inhalte verzichtet werden sollte.
Ich habe einmal den Spruch gehört: „Zahlst du nichts für das Produkt, bist du das Produkt“. Diese Worte haben sich eingeprägt und sind sicher gewissermaßen wahr für Instagram & Co., wo möglichst personalisierte Werbung durch ausgeklügelte Algorithmen das oberste Ziel der Social-Media- Plattform ist. Obwohl es vermutlich jedem klar ist, dass Soziale Medien die mentale Gesundheit negativ beeinflussen können, haben sich vermutlich viele User erst nach dem Netflix-Hit „The Social Dilemma“ mit den Auswirkungen auf die eigene Psyche etc. befasst. Glücklicherweise war das für mich nicht der Grund für die Deinstallation, aber die Zeit, mich sinnlos berieseln zu lassen oder Likes hinterherzujagen und dabei freiwillig pausenlos Werbung zu konsumieren, möchte ich heute schlicht und ergreifend nicht mehr aufbringen.
Obwohl ich jahrelang (Heavy-)User von Instagram und Facebook war, bin ich sehr froh die beiden Zeitfresser von meinem Handy verbannt zu haben. Dennoch habe ich es (noch) nicht übers Herz gebracht meine Accounts vollständig zu löschen, denn vom einen oder anderen Bekannten aus dem Auslandssemester oder Tauchurlaub habe ich keine Nummer, sondern nur eine Vernetzung auf den genannten Plattformen, wie das längere Zeit so üblich war. Außerdem wurde die digitale Visitenkarte schließlich jahrelang mühevoll aufgebaut und gepflegt. Insgesamt hat die Bedeutung von Social Media in meinem Leben aber schon seit Jahren stetig abgenommen und nach den vergangenen Wochen habe ich glücklicherweise auch kein Verlangen danach, mir die Apps wieder zu installieren.
Vielleicht liegt es aber auch an meinem Alter und daran, dass die heutige Zielgruppe für Social Media sich auf TikTok und Co. bewegt, während die Meta-Plattformen langsam (aber sicher) aussterben. Andere, neue Plattformen, wie das erwähnte BeReal legen währenddessen bewusst den Fokus auf persönliche Inhalte und schaffen auch nicht den Rahmen, sich lange auf der Plattform aufzuhalten. Langfristig werde ich die Erinnerungen, die ich per Fotos & Co. auf den Plattformen gepostet habe, vermutlich archivieren und die Accounts löschen. Allerdings verliere ich dann vermutlich manche Kontakte für immer.
Egal ob es das Smartphone allgemein, Computerspiele, Netflix etc. oder eben Soziale Medien sind, worauf verzichtet wird, mehr Zeit für andere Lebensinhalte wird frei. Im besten Fall wird dadurch eben auch Stress reduziert und das eigene Wohlbefinden verbessert. Soziale Medien haben definitiv ihre Berechtigung und sind eine großartige Erfindung mit unfassbar vielen Möglichkeiten. Ich bin schon gespannt, welche neuen Konzepte uns in der Zukunft erwarten und ans Smartphone fesseln. Digital Detox wird gleichzeitig immer schwerer, da Studium, Beruf und Privatleben ohne unsere digitalen Helferlein gar nicht zu bewältigen sind. Im Endeffekt geht es dabei, wie so oft, nur darum, bewusst zu konsumieren und für sich selbst eine gute Balance zu finden.