„Tag des Energiesparens“ – Gedanken eines Energietechnikstudenten
Ein Tag wie jeder andere?
Der 5. März ist also der „Tag des Energiesparens“. In Zeiten von inflationären Aktions-, Gedenk- und Feiertagen zunächst nichts Außergewöhnliches – so ist der 5. März beispielsweise eingerahmt vom „Welttag des Hörens“ am 3. März und dem „Weltgebetstag der Frauen“ am 7. März. Auch sonst scheint dieser 5. März ein durch und durch gewöhnlicher Tag zu sein: Der Wetterbericht verspricht leicht bewölktes und sonniges Frühlingswetter bei 9°Celsius Millionen Österreicherinnen und Österreicher werden morgens in ihr Auto steigen und zur Arbeit fahren, und Schulkinder die Schule besuchen. Doch was heißt schon normal?
Haben wir nicht für Ende Winter gerade zwei Wochen extrem warmes und ungewöhnliches Wetter hinter uns? Ist es denn normal für eine Person, zwei Tonnen SUV in Bewegung zu setzen, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen? Und was bedeutet Normalität überhaupt inmitten einer globalen Pandemie, in der der sonst selbstverständliche Schulbesuch der Kinder alles andere als selbstverständlich ist?
Höchste Zeit also, diesen so vermeintlich normalen Tag zu nutzen, um sich Gedanken zu machen. Gedanken darüber, wie wir mit Energie umgehen und wie wir Energie nutzen. Gedanken darüber, was der Einzelne erreichen kann und was nur gemeinsam möglich ist. Gedanken über die Welt, in der wir leben und Gedanken über die Welt, in der wir gerne leben würden.
Kleine Veränderungen und der Einfluss des Einzelnen
Wenn wir darüber reden, wie wir in Hinblick auf eine immer schneller eskalierende Klimakrise unser Klima schützen, weniger Treibhausgase ausstoßen und unseren ökologischen Fußabdruck verringern können, tauchen in Diskussionen oft zwei konträre Einstellungen auf: Auf der einen Seite finden sich jene, die auf die Verantwortung des Einzelnen hinweisen, Verzicht predigen und sich wünschen, dass jeder seinen eigenen Lebensstil hinterfragt und verändert. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass der persönliche Einfluss des Einzelnen de facto nicht messbar ist und Veränderungen nur im Großen möglich sind. Und überhaupt warum soll ich verzichten, wenn mein Nachbar trotzdem auf die Malediven fliegt? Warum soll „der Österreicher“ verzichten, wenn doch „der Amerikaner“ der noch größere Klimasünder ist? Schnell ist man dabei jemanden zu finden, der es noch nötiger hätte, nachhaltiger zu leben als man selbst.
Und sind wir nicht letztendlich Gefangene in unserem Lebensstil und unserer Gesellschaft? Auch jemand, der vieles „richtig“ macht, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit einem eigenen Auto fährt, der Urlaub auf dem Bauernhof statt in Neuseeland macht, der regionale und verpackungsarme Produkte konsumiert, wird trotzdem einen weit höheren Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck aufweisen als ein Großteil der Weltbevölkerung, der in ärmeren Ländern lebt. Und haben wir auf vieles nicht schlicht keinen Einfluss? Der engagierte und umweltbewegte Studierende wird sich schwer tun, seine Heizkosten zu reduzieren, wenn seine Altbau-WG schlecht isoliert ist und im Winter aufgrund von Feuchtigkeit ständig gelüftet werden muss.
Und auch dort, wo wir uns mitunter bewusst nachhaltig verhalten, stoßen wir auf Widersprüche. In diesem Pandemiewinter – wie auch schon in den Jahren zuvor – boomt das Skitourengehen, während die Skigebiete recht leer bleiben. Und aus energietechnischer Sicht erscheint die Sache eindeutig: Muskelkraft im Aufstieg über 1.500 Höhenmeter statt 10.000 Höhenmeter mit Hilfe der Seilbahnen, Naturschnee statt energie- und wasserintensiv erzeugter Kunstschnee, unpräparierte Hänge statt spritschluckenden Pistengeräten. Und wer die endlosen Weiten des verschneiten Hochgebirges, die intensive Naturerfahrung und das unvergleichliche Gefühl, als Erster im Hochwinter einen Pulverhang und im Frühling eine steile Firnflanke Richtung Tal zu schwingen, kennen gelernt hat, will ohnehin nichts anderes mehr.
Doch alles „richtig“ kann man auch hier nicht machen. Die Startpunkte sind praktisch ausschließlich abgelegen und nur mit dem eigenen Auto erreichbar, eine Anreise mit klimaschonenden öffentlichen Verkehrsmitteln unmöglich, Car-Sharing-Konzepte außerhalb der großen Städte praktisch nicht existent.
Wir werden lernen müssen, solche Widersprüche auszuhalten und uns trotzdem für das Richtige einzusetzen und zu engagieren. Niemand ist perfekt und niemand kann immer alles richtig machen. Jedes nicht emittierte Kilogramm CO2 ist wichtig und jeder Mensch, der dafür ein Bewusstsein entwickelt und gemäß seinen Möglichkeiten versucht, Nachhaltigkeit zu leben, ist ein potenzieller Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltigere Welt. Denn nur wer sich auch persönlich darum bemüht, Energie zu sparen und Nachhaltigkeit zu leben, sich aber gleichzeitig auch der Beschränktheit der eigenen Maßnahmen bewusst ist, kann ein glaubwürdiges Vorbild für andere darstellen. Und die Kraft dieser Vorbildwirkung in unserer Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen: Nur wenn sich in weiten Teilen der Gesellschaft ein tiefes Bewusstsein für die Notwendigkeit eines nachhaltigen Energie- und Wirtschaftssystems einstellt, werden wir auch in der Lage sein, die dafür notwendigen großen Veränderungen in Politik und Wirtschaft herbeizuführen.
Große Veränderungen und eine nachhaltigere Zukunft
Wenn wir über große Veränderungen in unserem Energie- und Wirtschaftssystem sprechen, müssen wir letztlich zwei Arten von Maßnahmen unterscheiden: Zwischen solchen, die zum Ziel haben, Energie effizienter zu nutzen und unseren Energieverbrauch zu reduzieren und solchen, mit denen wir unsere Energie aus klimaneutralen und regenerativen Quellen bereitstellen wollen.
Im Bereich der Energieeffizienz ist vor allem der Gesetzgeber gefragt und bereits heute aktiv. So wurden die zwar teilweise mit viel Nostalgie verbundenen Glühlampen, die zu 96 Prozent Wärme und nur zu 4 Prozent das gewünschte Licht produzieren, durch weit effizientere Energiesparlampen und LED ersetzt. In anderen Bereichen wären weitergehende Regulierungen aus energietechnischer Sicht wünschenswert: Fußbodenheizungen können Wärme auf einem viel tieferen Temperaturniveau nutzen als herkömmliche Heizkörper. Gebäude lassen sich so sehr energieeffizient über Niedertemperaturfernwärme aus industriellen Prozessen heizen, die sonst an die Umgebung abgegeben würde. Dennoch werden auch 2021 in Neubauten noch Heizkörper statt Fußbodenheizungen verbaut. Durch solche Maßnahmen zur effizienten Nutzung von Energie können gerade auch wir Energietechniker einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten.
Doch dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass solche Maßnahmen letztlich unser Gesamtproblem nicht lösen können. Es mag uns möglich sein, unseren Lebensstandard zu halten und gleichzeitig so unseren Energieverbrauch zu senken. Doch andere Länder, die – völlig zurecht – den Anspruch und den Wunsch nach einem ähnlichen Lebensstil für ihre Zukunft haben, werden auch in den nächsten Jahrzehnten für einen global weiter steigenden Energieverbrauch sorgen. Daher ist es unsere Aufgabe als aufgeklärte Gesellschaft, als Hochtechnologieland - und auch als Montanist*in und Energietechniker*in ein vorbildhaftes Wirtschafts- und Energiesystem zu entwickeln, das Nachhaltigkeit mit einem hohen Lebensstandard verbindet.
Ohne hier zu sehr ins Detail gehen zu wollen, gehört das rechtzeitige und intensive Investieren in Speichertechnologien und Energienetze. Wir müssen Wege finden, energieintensive Industrien zu „ergrünen“. Der Einsatz von Wasserstoff in der Stahlindustrie, wie er auch an der Montanuniversität erforscht wird, ist hierbei exemplarisch zu nennen. Es braucht Lösungen für nachhaltige Mobilität und vieles mehr.
Packen wir’s an
Für mich als Energietechniker steht fest: Die Lösung der Klimakrise wird nur mithilfe des technischen Fortschrittes möglich sein. Verzicht ist ein wichtiger Baustein, um Bewusstsein für wichtige Veränderungen zu schaffen, jedoch auf globaler Ebene nicht ausreichend, um unsere Probleme zu lösen. Gerade wir als Montanist*innen haben das Know-how, um wichtige und weiteichende Veränderungen in Wirtschaft, Technik und Forschung anzustoßen und voranzutreiben.
Nutzen wir also diesen „Tag des Energiesparens“, um zum einen manche unserer eigenen Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen, andere von der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu überzeugen und vor allem, um uns bewusst zu machen, was wir als Techniker*innen erreichen können und zum Wohle des Planten eigentlich auch erreichen müssen.