Akwaaba! Mein IAESTE Praktikum bei Ghana Highway Authority

Prokrastinieren – aber mit Sinn! Also weg mit Youtube und "Bares für Rares" und lieber mal die IAESTE Seite nach verfügbaren Praktika durchforsten. Okay, da gibt’s ja tatsächlich ein paar Angebote in verschiedenen Ländern für meine Fachrichtung (Rohstoffingenieurwesen/Gesteinshüttenkunde)...Ghana…? Wo ist Ghana eigentlich? Was ist die Hauptstadt? Lass mal Google fragen…

Lange Rede, kurzer Sinn – ich wusste nichts über Ghana und genau deswegen habe ich mich für dieses Praktikum beworben, wurde in weiterer Folge dafür nominiert und vom Arbeitgeber akzeptiert. So here we go…

Ein paar Hardfacts zum Land:

  • Hauptstadt: Accra
  • Einwohner: ~ 30 Mio.
  • Regen- & Trockenzeit (nahe am Äquator)
  • Gold wichtigster Bodenschatz (30 Prozent des Gesamtexports)
  • Über 300 Jahre lang der größte Sklavenumschlagplatz Afrikas

Ghana ist Landschaft ist sehr vielfältig - von Wüste bis Dschungel ist alles dabei. Auch an Bodenschätze ist das Land sehr reich - Gold, Bauxit, Mangan und Diamanten sind dabei die wichtigsten Vertreter, ebenso gibt es Chromit und Öl Vorkommen. Das Land hat Potential! Kakao ist das mit Abstand wichtigste landwirtschaftliche Produkt. Avocados, Palmen, Bananen, Cashew, Kautschuk und viele andere Produkte sind aber ebenfalls zur Genüge vorhanden.
Jahreszeiten gibt es hier nicht. Das Jahr teilt sich in eine Trockenzeit von Mitte November bis April und eine Regenzeit von April bis Mitte November. Im Norden gibt es den Mole National Park in dem Elefanten, Büffel, Warzenschweine, Affen, Antilopen und viele weiter Tiere zu finden sind.

Meine Ankunft

Einen Tag nach meiner Ankunft am Flughafen und einigen kleinen Anlaufschwierigkeiten war ich dann bereits im Bus nach Kumasi unterwegs und Ferdinand, der Exchange-Koordinator bei IAESTE Ghana, hat es irgendwie (ich frage mich immer noch wie???) geschafft, den Busfahrer telefonisch zu erreichen, um mit mir zu sprechen. In Kumasi angekommen wurde ich dann von Ferdinand abgeholt und nach einem kurzen Stopp in unserer Unterkunft dann gleich weiter in eine Bar, um mal anzustoßen. Cheers!
Ich war in einem Studentenheim in der Nähe des KNUST-Campus untergebracht, der größten Universität der Stadt mit etwa 65.000 Studierenden. Dort teilte ich mir ein Zweibettzimmer mit Ferdi. Das letzte Mal, dass ich mir ein Zimmer teilen musste, liegt schon einige Jahre zurück. Mit Ferdi kam ich aber sehr gut klar und wir verstanden uns gut.

Das Praktikum

Mein Arbeitsplatz war in Adum, das Zentrum und Regierungsviertel der Stadt. Um dorthin zu kommen, musste ich etwa zehn Minuten gehen, um ein Tro-Tro ([Tscho-Tscho], einen Minivan mit etwa 12 – 16 Plätzen) zu erwischen. Mit dem Tro-Tro etwa 30 Minuten (je nach Verkehr) Richtung Zentrum und nochmal 10 Minuten gehen. Rund um meine Arbeit waren einige Stände, wo man alles Mögliche kaufen konnte. Bei einem Stand habe ich mir immer mein Frühstück geholt, wofür ich von den anderen Kolleginnen und Kollegen ausgelacht wurde. Für mich gabs nämlich meistens einen Früchtemix aus Papaya, Ananas, Wassermelone und Bananen. Das übliche Frühstück in Ghana fällt dagegen sehr deftig und kräftig aus. Üblicherweise gibt‘s Kenkey – ein Teigklumpen aus gemahlenem Mais und dazu frittierter Fisch und Tomatensauce, gegessen wird mit den Fingern.

Zu Beginn meines Praktikums verbrachten wir viel Zeit auf der Baustelle. Der Aufbau der Straßen besteht auch wie bei uns aus mehreren Schichten, welche nacheinander eingebaut werden. Ist eine Schicht nun eingebaut, muss die erreichte Verdichtung bestimmt werden, bevor die nächste eingebaut werden kann bzw. darf. Dazu haben wir etwa alle 100 Meter ein Loch in die jeweilige Schicht gegraben, um den erreichten Grad der Verdichtung zu bestimmen. Den Spaßfaktor der Arbeit bei einer mehrere Kilometer langen Straße und 35 Grad Celsius unter wolkenlosem Himmel kann man sich vorstellen. Aber wenigstens bin ich braun geworden dabei ;-).
Wir untersuchten außerdem auch Material vor dem Einbau, ob es denn überhaupt geeignet ist, um für den Straßenbau verwendet zu werden. Wir bestimmten dafür im Labor verschiedenste Parameter wie die Tragfähigkeit, Abrasivität, Proctordichte und weitere Parameter des Materials anhand verschiedenster Versuche. Im Wesentlichen laufen die Versuche ähnlich ab wie wir sie in Österreich auch machen, nur wird in Ghana nicht mit der ENORM gearbeitet, sondern mit dem britischen und dem US-amerikanischen Standard. Außerdem sind die Geräte und Maschinen älter und funktionieren oft nicht mehr ganz einwandfrei, erfüllen aber noch gut ihren Zweck. Für neue, moderne Geräte fehlen einfach die Mittel.

Neben meinem Vorgesetzten John habe ich nur mit anderen Studierenden zusammengearbeitet, die entweder ebenfalls gerade ein Praktikum oder ihren National Service (National Service ist ein freiwilliges Jahr in einer staatlichen Einrichtung) absolvieren.

Das Arbeitspensum fiel mit der Zeit leider etwas, was sicherlich damit zu tun hatte, dass wir gefühlt von Woche zu Woche mehr Praktikant*innen wurden, die zu erledigende Arbeit aber gleichblieb. Dadurch hatte ich aber viel Zeit, um mich mit den anderen Studierenden auszutauschen, so konnte ich oft so sehr interessante Einblicke gewinnen. Eine der ersten Fragen an mich war immer, ob es denn leicht ist, in Österreich Arbeit zu finden. Die Arbeitslosigkeit in Ghana ist sehr hoch und nicht selten warten Uni-Absolvent*innen (Civil Engineering!) mehrere Jahre (!!) auf einen Job. So gut wie jede*r träumt davon, dass Land bei der nächstmöglichen Gelegenheit zu verlassen und woanders Fuß zu fassen, um sich eine Existenz aufzubauen. Probleme, um die man sich als österreichischer Studierender mit einem technischen Studium nicht sorgen muss. Luxus.

Ausflüge und Wochenenden

Die Highlights waren immer die Wochenenden, an denen wir unterwegs waren. IAESTE Ghana organisierte für uns regelmäßig Trips zu verschiedensten Sehenswürdigkeiten und Ausflugszielen im ganzen Land.
So verbrachten wir mal ein Wochenende in Cape Coast, einer Hafenstadt, die durch den Sklavenhandel traurige Berühmtheit erlangte. Dort besuchten wir neben einer Festung zum Sklavenhandel auch den Kakum Nationalpark, wo man auf Hängebrücken in 35 Metern Höhe durch den Dschungel spazieren kann. Danach stoppten wir noch bei Hans Cottage, einer ehemaligen Fischfarm, die von Krokodilen übernommen wurde. Jetzt ist es halt eine Krokodilfarm. Dort habe ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Krokodil gestreichelt. Ein fu**ing Krokodil!! Nice.

An einem Feiertag besuchten wir einen See in der Nähe von Kumasi, der vor 1 Million Jahren durch einen Meteorit mit ein Kilometer Durchmesser entstand.

Einen weiteren Ausflug unternahmen wir nach Sunyani. Dort gings zuerst nach Tanoboase, einem zeremoniellen Ort des Ashanti-Stammes, danach nach Boabeng zum Affen füttern und im Anschluss noch nach Kintampo, einem riesiger Wasserfall, bei dem wir als Obronis (Weiße werden in Ghana als „Obroni“ bezeichnet) allerdings eine größere Attraktion für die lokalen Besucher waren, als der Wasserfall selbst.

Auf einen weiteren Kurztrip in die Hauptstadt Accra folgte dann an einem meiner letzten Wochenenden ein Trip nach Busua Beach. Wie es der Zufall so wollte, war eine Arbeitskollegin eine frisch ausgebildete Surflehrerin und Busua Beach ist der perfekte Spot für Surf-Neulinge. Das haben wir natürlich ausgenutzt und ich habe meine ersten Stunden auf einem Surfboard verbracht. In Busua hat es mir so gut gefallen, dass ich nach Abschluss meines Praktikums noch einmal dorthin zurückgekommen bin. Mit zwei anderen Praktikanten und einem Mitglied von IAESTE Ghana haben wir nochmal eine ganze Woche dort zum Surfen und entspannen verbracht.

Das Essen

Reis. Viel Reis. Mit allem konnte ich mich nicht anfreunden - Banku oder Kenkey zum Beispiel. Das sind so Art Teigklumpen aus gemahlenem Mais und Kassava (Maniok) bzw. nur aus gemahlenem Mais, den man mit den Fingern zu einer Tomatensauce isst. Manchmal noch frittierten Fisch dazu. Das typischste Gericht in der Ashanti Region, in der Kumasi liegt, ist Fufu. Das ist ebenfalls ein Teig, der in verschiedenen Suppen serviert und ebenfalls mit den Fingern gegessen wird. Nach dem Essen kann es passieren, dass die Finger wie nach einer Badewanne schrumplig geworden sind und durch die scharfe Suppe noch eine Zeit lang etwas „brennen“.
Gobe war denke ich mein Lieblingsessen, ein Bohneneintopf mit Palmöl, Knoblauch, viel Zwiebel und frittierten Planteens, manchmal noch Avocado und ein Ei dazu.

Die Menschen Ghanas

Die Menschen gehen alle sehr offen auf einen zu und wollen mit dir quatschen, gleich deinen Kontakt und Telefonnummer haben und mit dir befreundet sein. Mehr als nur einmal ist es auch vorgekommen, dass mir jemand seine Schwester oder Cousine vermitteln wollte. Und sehr schnell kommt meistens auch die Frage, wann man zurückgeht und ob man ihn/sie dann nicht mitnehmen könnte. Dass konnte manchmal auch etwas anstrengend sein...

Den Menschen in Ghana ist durchaus bewusst, dass vieles hier anders läuft als in weiterentwickelten Ländern. Die Ursache dafür sehen die meisten in korrupten Politikern und Korruption generell. Das Vertrauen in die Politik und in den Staat geht gegen 0.
Jobs werden nicht nach Qualifikation, sondern nach Kontakten vergeben. Und wenn man keine Kontakte hat, muss man jemanden bestechen, um an einen guten Job zu kommen. Dass ein Straßenbauprojekt, bei dem der Projektleiter nicht mal weiß, dass man Beton mit Stahl verstärkt, eher mäßig erfolgreich verlaufen wird, kann man erahnen.

Religion bestimmt den Alltag. Und es wird auch sehr viel Wert auf das eigene Auftreten gelegt. Nicht selten ist es vorgekommen, dass ich um 6 Uhr früh geweckt wurde, weil meine Zimmernachbarin (ebenfalls IAESTE Ghana Mitglied) das Bügeleisen brauchte, bevor sie zur Arbeit gehen konnte. Ein Auto ist ebenso ein Statussymbol wie ein aktuelles iPhone.

Mein Fazit

Nach meinen ersten paar Tagen in Ghana hab ich mich schon gefragt „Was mach ich eigentlich da….? Und warum…?“.
Wenn man dann länger dort ist und einfach akzeptiert, dass manche Dinge hier anders sind als zuhause, hat man eine sehr gute Zeit! Die Menschen sind entspannter. Wenn man überlegt, worüber sich die Leute in Österreich so alles aufregen und sudern können, ist das schon beeindruckend! Wenn in Ghana mal etwas nicht funktioniert, dann ist das halt so. In der Arbeit hatten wir mal drei Tage lang keinen Strom, weil das Budget dafür in diesem Monat aufgebraucht war. Egal. Dann geht halt mal drei Tage lang etwas weniger. Wenn die Leute ausgehen, tanzen sie. Jeder. Und jeder KANN tanzen. Überall läuft Musik. Manchmal auch etwas zu laut. Aber das stört hier niemanden - ist ja nur etwas Musik, ist doch schön :-)

 

Zurück zuhause brauche ich erstmal wieder ein paar Tage um mich wieder „zurückzugewöhnen“. Viel Zeit habe ich dafür aber nicht, da ich bald mit meiner Master-Arbeit am Lehrstuhl für Gesteinshüttenkunde beginne. Dort simuliere ich verschiedene Steingeometrien für die feuerfeste Ausmauerung eines Schmelzofens. Dafür werde ich sogar am Lehrstuhl angestellt, was mich in die komfortable Position bringt, für meine Masterarbeit bezahlt zu werden. Der einzige negative Aspekt daran ist, dass ich dann leider keine Zeit mehr habe, um für die Öffentlichkeitsarbeit der Uni tätig zu sein. Eine Arbeit, die ich die letzten 3,5 Jahre sehr gerne gemacht habe und die nun leider zu Ende geht…
Wenn ihr mich noch einmal „live“ sehen wollt, dann besucht den MUL Instagram-Kanal im Rahmen unseres Info-Tages am 10. Dezember 2021. Um 15 Uhr berichte ich live über mein IAESTE Praktikum in Ghana. See you there :-)


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